Flexo+Tief-Druck: Wo geht es hin in der Verpackungsherstellung?

Marktumfrage 2023: Karsten Schröder, Geschäftsführer von Innoform Coaching

Karsten Schröder, Geschäftsführer von Innoform Coaching
Karsten Schröder: Beim Design von Verpackungen sollten wir in Kaskaden denke." (Quelle: Innoform)

Was kann Ihrer Ansicht nach getan werden, dass vielfach negative Image sowie die oft unterschätzte Bedeutung von Verpackungen zu korrigieren, um damit eine mehr sachgerechte Beurteilung durch Konsumenten und Staat zu erreichen?

Ich spreche hier durchaus als Enthusiast der flexiblen Verpackung. Viele NGO‘s und Menschen, die sich wirklich im Innersten über die Herausforderungen der Vermüllung, des Klimawandels und den Enttäuschungen, die mit der Globalisierung einhergehen, besorgt sind, zeigen uns indirekt den Weg. Wir Menschen möchten zwar nicht auf Verpackungen verzichten, die damit verbundenen Nebenwirkungen aber vermeiden. Zudem wollen es viele nicht mehr mitverantworten, der massiven Verschwendung von Ressourcen weiter kommentarlos zuzusehen.

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Die gesamte industrialisierte Welt hat es versäumt, auf eine sinnvolle Verwendung unserer beschränkten Ressourcen zu achten. Dies gilt insbesondere im Bereich der Einwegverpackung, weshalb diese Verpackungsform, zu Recht oder zu Unrecht, heute besonders harter Kritik ausgesetzt ist. Zwar wird nur ein Bruchteil der fossilen Rohstoffe für die Herstellung von Kunststoffverpackung genutzt, dennoch hat die Öffentlichkeit den Eindruck, dass damit Meere vermüllt und die Landschaft verschmutzt werden. Das liegt unter anderem auch an der „Langlebigkeit“ der Verpackungen im Gegensatz zu den meistens kurzlebigen Füllgütern.

Liegt unser wahres Problem nicht genau darin, zwar die Füllgüter immer nachhaltiger zu machen, nicht aber deren Verpackung? Daher vermute ich, dass das „Plastic Bashing“ seinen Zenit überschritten hat und wir uns komplexeren und bedeutenderen Problemen widmen sollten. Nennen möchte ich in diesem Zusammenhang das Bemühen um Weltfrieden, die Ausrottung von Seuchen, die Sicherstellung der Ernährung und den Respekt gegenüber aller Lebewesen auf unserem Planeten.

Speziell als Flexpacker sollten wir speziell unsere Verpackungen noch minimalistischer und bequemer handhabbar machen und uns durchaus auch trauen, andere gedankliche Wege einzuschlagen. Mehrweg-Lösungen dürfen weder tabuisiert noch als schlechte zweite Wahl diffamiert werden. Denn insbesondere die Mehrfachverwendung, die wir bislang hauptsächlich nur stofflich in Form des mechanischen Recyclings umsetzen, ist die Basis aller Kreislaufwirtschaft.

Beim Design von Lebensmittelverpackungen sollten wir sozusagen in Kaskaden denken. Dies bedeutet beispielsweise, aus hochwertigen Folien erst einmal eine Abdeckfolie für den Baubereich zu recyceln und danach dem chemischen Recycling und somit dem Neuwarenstrom wieder zuführen, um draus wieder Lebensmittelverpackungen herzustellen. Dies muss jedoch mit digitalen Technologien unterstützt werde, mit Produktpässen und Angaben zu den stofflichen Bestandteilen, wie dies auch von der Politik gefordert wird.

Uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als Gutes noch besser zu machen, um uns vor weiteren Klima- und Umweltschäden zu bewahren.

Welche konkreten Maßnahmen unternehmen Sie in Ihrem Bereich der Wertschöpfungskette zur Förderung der Nachhaltigkeit von Verpackungen ohne Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit?

Im Rahmen unseres Testservice befassen wir uns damit, neue Materialkombinationen hinsichtlich ihrer Eignung zur Herstellung von Lebensmittelverpackung zu prüfen. Wir erwarten in naher Zukunft vielversprechende neue Entwicklungen wie Materialien aus Lebensmittel-Abfällen, Recyclingpapier oder Graspapier, um damit die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu verringern. Auch entstehen immer neue Barriere-Konstruktionen insbesondere für Lebensmittelverpackungen. Wir unterstützen mit Rat und Tat sowie auch mit der Bereitstellung von Daten und Fakten aus unserem Testservice, die Entwicklung neuer organischer und anorganischer Schichten.

Mit unserer Initiative „Mehr Flexpackwissen“ informieren wir zeitnah Stakeholder im Inno-Talk (www.Inno-Talk.de) und in Inno-Meetings (www.inno-meeting.de) über Neuentwicklungen und Trends. In unserem stark wachsenden Angebot an Präsenz- und Online-Seminaren vermitteln wir Fähigkeiten beispielsweise hinsichtlich nachhaltiger Verpackungen und höherer Leistungsfähigkeit von Verpackungen, die mit weniger und recyceltem Material hergestellt werden.

Ein klarer Trend ist die Materialneutralität. Unternehmen, die bislang nur Papier produzierten, verkaufen die entsprechenden Werke, um dann Kunststoffe herzustellen. Andere versuchen Folienverpackungen durch Papiere mit aufgetragenen Barrierelacken zu etablieren. Wir unterstützen all diese Ansätze ergebnisoffen und möglichst neutral. Vielleicht können wir damit zu beitragen, Denkanstöße für viele Menschen zu geben.

Wie beurteilen Sie persönlich die Zukunftsfähigkeit der Verpackungsbranche?

Eine Welt mit über 8 Mrd. Menschen kann und will ich mir ohne Hochleistungsverpackungen nicht vorstellen. Ich gehe sogar noch weiter und behaupte, dass dies eigentlich unmenschlich wäre. Denn der Verzicht auf Minimalverpackung im Hochleistungsbereich, insbesondere für Lebensmittel, würde katastrophalen Hunger bedeuten. Die Konsequenz wären die bislang noch überschaubaren Wanderungsbewegungen von Süd nach Nord und die damit verbundenen Herausforderungen und Konflikte. Verpackung sind daher stets auch Indikatoren, vielleicht sogar auch Garanten des Wohlstands.

Die Lebensmittelverpackung wird sich weiterentwickeln, sowohl hinsichtlich der Menge wie auch der Leistungsfähigkeit. Was wir also brauchen, sind Innovationskräfte, die sich nicht in der Abwehr von Plastik Bashing verbrauchen, sondern den Weg frei machen für neue Lösungen zur Entwicklung nicht mehr nur marktgerechter, sondern auch umweltgerechter Verpackungen. Es gibt zweifelsohne viele äußerst tatkräftige Menschen, die Gutes besser machen möchten. Daher kommt der Flexpack-Industrie mit ihrem immer engeren System der Kreislaufwirtschaft eine bedeutende und wachsende Rolle zu. Unabhängig davon, ob es sich Süßwarenverpackung aus Papier, Getränkekartons oder Gurkenfolien handelt.

Selbstverständlich sind hohe Energiepreise ein Hindernis, doch hier könnte der Einsatz erneuerbarer Energien eine Lösung bieten. Keine Woche vergeht, wo nicht ein Verpackungswerk PV-Anlagen oder Windräder in Betrieb nimmt. Dies geschieht nicht nur, weil diese nachhaltiger, sondern auch preiswerter ist.

Die Materialknappheit ist ebenso lösbar, indem wir die Kreislaufwirtschaft noch ernster nehmen und entsprechen skalieren. Benötigen wir weniger fossile Rohstoffe, weil wir mehr Regenerat zur Verfügung haben, machen wir uns sogar unabhängiger von unsteten Lieferquellen. Gelingt uns dies, so kann das die europäische Verpackungswirtschaft sogar mit günstigeren Energiepreisen und eigenen Rohstoffquellen aus Recycling fördern.

Ich sehe viele, die eine Krise herbeireden wollen, aber ich sehe wesentlich mehr, die sich davon inspirieren lassen, Neues zu wagen und die Zukunft mit Verpackungen sinnvoll zu gestalten.