Touch & Feel – digitale und haptische Veredelungen gewinnen an Bedeutung

(Photo Credit: Copyright by Steven Van Veen)

Mit den Möglichkeiten der analogen und digitalen Druckverfahren lassen sich heute Verpackungsmotive reproduzieren und attraktive Produkthighlights setzen. Von Handelsunternehmen und Markenartiklern werden immer mehr Veredelungstechnologien angefragt, die der Verpackung hohe Attraktivität und Einmaligkeit verleihen. Selbstverständlich geht es dabei nach wie vor primär um den optischen Eindruck, doch zunehmend gewinnen Haptik und Zusatznutzen bei Verpackungen immer mehr an Bedeutung.

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von Ansgar Wessendorf

Vor allem die fortschreitende Digitalisierung in der Produktion von Verpackungen erweitert nicht nur den kreativen Spielraum im Marketing, sie eröffnet zudem ganz neue Geschäftsmodelle. Ob das mit dem jeweiligen Wunschmotiv bedruckte Nutella-Glas, die personalisierte Milka-Verpackung oder die elektronisch getunte Verpackung, die nicht nur leuchtet und mit dem Konsumenten spricht, sondern auch den aktuellen Zustand des verpackten Produkts anzeigt – all das lässt erahnen, wohin die Reise gehen kann. Doch was bleibt Spezialität und was schafft den Sprung in den Massenmarkt? Welche Veredelungstrends sind es, die für Verpackungsdrucker, Folienproduzenten, Farbhersteller und Weiterverarbeitungsprozesse relevant sind? Diese Fragen diskutierten Referenten auf dem von Innoform veranstalteten „3. Expertentreff Verpackungsdruck“ in Osnabrück.

Flexodruck mit Tiefdrucknäpfchen
Die Form und der optische Eindruck waren für Verpackungen schon immer von höchster Relevanz. Doch die Haptik ist dabei nicht zu vernachlässigen. Die Einbeziehung eines weiteren Sinnes steigert die Kaufentscheidung am „Point of Sale“. „Dabei lassen haptische Effekte zum einen durch einen hohen partiellen Lackauftrag oder durch Prägung erzielen“, sagt Ingo Büning, Senior Sales Manager bei Saueressig. Als Beispiel nannte er die Oberflächenstrukturierung einer Flexodruckplatte mit Tiefdrucknäpfchen, die Lackaufträge von 20 bis 30 µm ermöglichen. Mit dieser relativ einfachen und kostengünstigen Technologie lassen sich Relieflacke und Mikrostrukturen auf Verpackungen realisieren. Ein weiteres von Saueressig entwickeltes Verfahren ist die sogenannte 3D Evolution. Hierbei wird im ersten Lackwerk ein pigmentierter UV-Lack flächig oder als Spot aufgetragen. Indem die Flexodruckplatte (Kiss Print) in der noch nicht ausgehärtete Lackschicht gedrückt wird, richten sich die Pigmente aus. Anschließend verlässt die Platte den noch nassen Lack. Durch die Härtung des UV-Lacks verbleiben die Pigmente in ihrer neuen Position. Durch diese Technologie werden zugleich optische und haptische Effekte erzielt.

Drip-Off-Verfahren
Dr. Martin Schmitt-Lewen, Senior Manager „Technologies for Future Business“ bei Heidelberger Druckmaschinen, bezog sich in seinem Vortrag auf die Inline-Druckveredelung im Bogenoffsetdruck insbesondere für Faltschachtelverpackungen und Etiketten. Dabei spielen beispielsweise UV-Lackanwendungen mit Glanz- und Matteffekten oder mit taktilen, also haptischen Elementen nach wie vor eine dominante Rolle. Hinzu kommen metallische und metall-ähnliche Veredelungseffekte z.B. durch den Transfer von metallisierter (Kalt-)Folie oder durch spezielle Effektpigmente.

Um das Drip-Off-Verfahren anwenden zu können, benötigt man eine Bogen-Offsetmaschine mit Lackturm. Um den Trockenprozess zu verbessern, ist eine Trocknerkombination von Vorteil, diese ist bei diesen Maschinen in der Regel Standard. Zunächst wird für den Auftrag des Mattlacks eine Druckplatte hergestellt. Diese wird exakt so hergestellt wie die Platten für die restlichen Farbseparationen auch.

Wenn die vier Druckfarben gedruckt sind, wird im fünften Druckwerk der Mattlack gedruckt. Dies benötigt keine andere Handhabung wie bei den anderen Druckfarben. Nachdem der Mattlack aufgetragen ist, erfolgt im letzten Werk der Maschine, dem Lackwerk, der vollflächige Auftrag des Glanzlacks. Durch die spezielle Zusammensetzung der sogenannten Drip-Off-Lacke stoßen sich der Glanzlack und der Mattlack ab. Bei diesem Prozess des Abstoßens bilden sich kleinste Lacktröpfchen (drip off = abtropfen).

Beim Anicolor wird ein Offsetdruckwerk als Flexowerk verwendet. Es erreicht durch einfache Bedienung ohne langwierige Einstellungen sehr schnell einen gleichmäßigen Lackauftrag. Eine gravierte Rasterwalze, die sich zwischen Farbkammerrakel und Auftragswalze befindet, sorgt für eine stabile, reproduzierbare Qualität. Vor allem lassen sich mit dieser Technologie Lacke mit Effektpigmenten (z.B. Perlglanzlack) auftragen, was im Offsetdruck eher problematisch ist.

Unter dem Namen „Flexoshim Printing“ läuft bei Heidelberger Druckmaschinen ein vielversprechendes Forschungsprojekt, das den komplexen Prozess der Hologramm-Applikation signifikant vereinfachen könnte. Der Ansatz: Eine Hologramm-Platte ersetzt die Hologramm-Folie.

RGB-Druck
Saueressig und Merck entwickelten gemeinsam ein Verfahren, um Verpackungen mit RGB-Farben zu drucken. Die neue Methode nutzt hochreflektierende Perlglanz-Farben in Rot, Grün und Blau sowie eine silberweiße Farbe und soll es ermöglichen, im Tiefdruck aufmerksamkeitsstarke Verpackungen mit hohem Oberflächenglanz zu produzieren. Im RGB-Druck können nun Verpackungen mit einmaligen Effekten erzielt werden. Mit den von Merck entwickelten Farbpigmenten ist es möglich, Bilder aus mehreren Farben direkt auf einem schwarzen Substrat zu drucken. Bisher wurde beim Verpackungsdruck ausschließlich auf weißem oder hellem Untergrund gedruckt. Ein schwarzer Hintergrund wurde über den Zusammendruck der CMYK-Farben bei voller Sättigung erzielt. Beim RGB-Druck ist die Herangehensweise völlig anders: Die Volltöne Rot, Blau und Grün ergänzen sich auf schwarzem Substrat zu Weiß.

„Digitale“ Veredelung
Die interaktive Verpackung stellt nach Meinung von Anna Zumbülte, Innovationmanagerin bei Saueressig, die nächste Generation der Verpackung dar. Sie durchbricht den Status quo mit Innovationen, die die Betrachtung, Handhabung und Interaktion von Verpackungen neu definieren.
Verpackungen, die mit Digimarc-Barcode ausgestattet sind definieren die Art und Weise neu, wie Verbraucher mit Produkten einkaufen und sich mit ihnen beschäftigen. Für das Auge kaum sichtbar, ist der Code in den Druckbildinformationen versteckt und für Kassenscanner oder Smartphones sichtbar. Er enthält die EAN-Nummer und eine zusätzliche Digimarc-ID. Der Wegfall herkömmlicher EAN- und QR-Codes verschafft mehr Platz auf der Verpackung für das Design und das Branding. Durch das Auslesen des Codes kann der Kunde zusätzliche Informationen zu dem verpackten Produkt auf sein Smartphone laden. Darüber hinaus vereinfacht und beschleunigt Digimarc das Scannen an der Kasse im Supermarkt oder innerhalb der Lieferkette (z.B. Tracking, Inventur).
Eine geschickte Wahl des Designs macht den Code fast unsichtbar. Das ist aber abhängig von der Größe und Form der Verpackung, der Größe der bedruckten Fläche, dem eingesetzten Druckprozess, dem Substrat und Farbsatz.

„Verpackungs-Revolution“? – gedruckte OLEDs
Christian Rommel, Geschäftsführer ROX Asia Consultancy, stellte die verschiedenen Möglichkeiten multisensorischer Applikationen für Produkte der grafischen Industrie vor. Dabei ging es einerseits um den Marketingnutzen und die überraschenden Effekte von Licht, Ton, Bewegung und Video im Verpackungsbereich. Anhand von Fallstudien und konkreten Produkten wurden andererseits auch die Grenzen im Einsatz konventioneller Mikroelektronik als integraler Bestandteil in Verpackungen („Electronics-in-Print“) aufgezeigt, insbesondere im Hinblick auf ihre langsame Produktion und problematischen Entsorgung.

Eine Alternative könnte eine Weltneuheit sein, die die Verpackung revolutionieren könnte“, so Rommel weiter. Die Karl Knauer Gruppe entwickelte in Kooperation mit der Inuru GmbH aus Berlin die wahrscheinlich weltweit erste leuchtende Verpackung mit gedruckten, flexiblen organischen Leuchtdioden (OLEDs). Die Verpackung ist der nächste logische Schritt des Unternehmens, denn sie ist eine Weiterentwicklung der „HiLight–printed electronics“-Technologie. OLEDs sind wenige Nanometer dünne, selbststrahlende, flächige Lichtquellen, und bestehen aus organischen Halbleitern. Sie können vollständig mit allen elektronischen Komponenten inklusive den Batterien gedruckt werden. Im Vergleich zur Elektrolumineszenz sind OLEDs 100-500 mal heller, benötigen aber nur einen Bruchteil an Energie, sind ultradünn, flexibel und kostengünstiger herzustellen. Aufgrund des geringen Energieverbrauchs können Lichtelemente energieautark mit integrierten Batterien über viele Wochen und Monate betrieben werden. Die Technologie ist nachhaltig, recyclebar und kann problemlos gemäß gesetzlicher Anforderungen entsorgt werden.
In Zukunft können damit Verpackungen, Displays, POS-Materialien, Werbemittel und selbst Flaschenlabels mit leuchtenden, animierten Bildern, Logos und Texten ausgestattet werden. Selbst die Aktivierung des Lichteffektes kann auf Wunsch nun berührungslos ohne die üblichen Sensoren erfolgen. Der Kunde nähert sich dem Regal und die Verpackung beginnt zu leuchten. Eine Aufmerksamkeitssteigerung für die Marke, die unbezahlbar ist. Im „First Moment of Truth“, dem Moment der Produktauswahl und der Kaufentscheidung, wird die Marke zum Gewinner.

Multisensorische Veredelung
Als Smart Packaging bezeichnet man Verpackungen mit zahlreichen Zusatzfunktionen, die weit über den reinen Produktschutz hinausgehen. Smart Packaging bedeutet, dass Verpackungen individueller, persönlicher und Kommunikativer werden. Durch den Einsatz von speziellen Substraten, Druck- und Veredelungsapplikationen und digitalen oder elektronischen Komponenten übernehmen diese Verpackungen erweiterte Aufgaben und bieten dem Verbraucher einen klaren Mehrwert. Dieser Mehrwert kann ein äußerer oder emotionaler Marketing-Effekt sein oder einen innovativen, funktionalen Zusatznutzen bieten. Smart Packagings sorgen für Kontrolle, Information, Sicherheit und Aufklärung. Sie wecken Interesse, unterstützen und informieren den Konsumenten. Sie verbinden die physische mit der digitalen Welt. Dadurch bilden sie eine perfekte Brückenfunktion zwischen Hersteller, Händler, Konsumenten, dem Internet und Social-Media-Kanäle. [3620]

Einteilung der multisensorischen Verpackungsveredelung

Die Vielflalt an Veredelungsmöglichkeiten:

  1. Neue grafische Effekte
    – Haptischer und richtungsabhängiger Glanzlack
    – Taktiler und 3D-Effekt durch Cristala Pearl
    – 3D-Effekt durch Pseudoprägung in Effektpigmente
    – 3D-Effekt durch magnetische Lacke
    – Hologrammdruck
    – Applikationen auf Anicolor-Maschinen
  2. Print Medien und Elektronik
    – Barcodes und Augmented Reality
    – Elektronische Identifikation
    – Integration von Lichtelementen
    – Smart Packaging
  3. Digitale Dekoration auf 3D-Oberflächen
    4C-Druck
    – Digitale Metallisierung
    – Digitale Haptik

Quelle: Heidelberger Druckmaschinen AG