Wie Heidelberger Druckmaschinen den Wandel vom klassischen Maschinenbauer zum vernetzten Technologieanbieter konsequent vorantreibt

Vom Druckmaschinenhersteller zum Systemintegrator und Vollsortimenter

Wie Heidelberger Druckmaschinen den Wandel vom klassischen Maschinenbauer zum vernetzten Technologieanbieter konsequent vorantreibt
Seit Juli 2024 an der Spitze von Heidelberg: Vorstandschef Jürgen Otto treibt die Neuausrichtung zum Technologie- und Systemanbieter konsequent voran (Quelle: Heidelberg)

Als Jürgen Otto vor einem Jahr den Vorstandsvorsitz der Heidelberger Druckmaschinen AG (Heidelberg) übernahm, war die Mission klar: Das 175 Jahre alte Traditionsunternehmen nicht nur zu stabilisieren, sondern strategisch neu auszurichten – profitabel, innovationsgetrieben und international wettbewerbsfähig. Nun, ein Jahr später, zieht Otto auf der virtuellen Hauptversammlung zum Jubiläum eine erste Zwischenbilanz – und die zeigt: Der Wandel hat begonnen.

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Das vergangene Geschäftsjahr 2024/2025 sei ein Jahr der Stabilität und des Fortschritts gewesen, so Jürgen Otto. Die finanziellen Kennzahlen untermauern diese Einschätzung: Der Auftragseingang stieg um 6,4 Prozent auf 2,43 Milliarden Euro. Zwar lag der Umsatz aufgrund der Investitionszurückhaltung im Vorfeld der Druck- und Medienmesse Drupa leicht unter dem Vorjahr, doch die operative Entwicklung zeigt klar nach oben. Der Free Cashflow war mit 51 Millionen Euro zum dritten Mal in Folge positiv, die EBITDA-Marge blieb stabil bei 7,1 Prozent und stieg im vierten Quartal sogar auf beeindruckende 10 Prozent. Auch die Eigenkapitalquote kletterte auf 25,1 Prozent – eine wichtige Kennzahl für die Bewertung am Kapitalmarkt. Mit diesen Zahlen, so Jürgen Otto, sei Heidelberg nicht nur durchfinanziert, sondern solide aufgestellt für weiteres Wachstum.

Einsparungen und neue Strukturen

Dass hinter dieser Entwicklung harte Einschnitte stehen, verschweigt der Vorstandschef nicht. Ein zentrales Projekt war der sozialverträgliche Abbau von über 400 Stellen am Standort Wiesloch. Die damit verbundenen Kosten in Höhe von 25 Millionen Euro drückten das Jahresergebnis nach Steuern auf fünf Millionen Euro.

Doch Otto betont, dass es nicht um Kürzungen allein gehe. Vielmehr habe man in den vergangenen zwölf Monaten umfassende Strukturen reformiert, Führungsebenen verschlankt, Prozesse digitalisiert und mit dem Zukunftsplan die Grundlage für eine nachhaltige Ergebnisverbesserung geschaffen. Die dadurch geplanten Einsparungen sollen ab dem Geschäftsjahr 2027/2028 jährlich über 80 Millionen Euro betragen.

Konzentration auf wachstumsstarke Märkte – Verpackungsdruck

Was dabei besonders auffällt: Heidelberg ist nicht nur auf Effizienz getrimmt, sondern orientiert sich konsequent an wachstumsstarken Märkten. Im Fokus steht der Verpackungsdruck – ein Segment, das vom globalen Konsumtrend, wachsendem Wohlstand und dem Ruf nach mehr Nachhaltigkeit angetrieben wird. Jürgen Otto spricht von einem strategischen Wachstumsfeld, in dem man nicht nur Marktanteile gewinnen, sondern sich als Systemanbieter positionieren will.

Gemeint ist damit: Heidelberg liefert nicht mehr nur einzelne Maschinen, sondern komplette Lösungen – von der Vorstufe über Software bis zur Weiterverarbeitung und Logistik. Mit dem Einstieg in den Offset-Großformatdruck durch die neue Cartonmaster CX 145 wurde eine wichtige Lücke geschlossen. Gleichzeitig treibt das Unternehmen gemeinsam mit dem US-Konzern Solenis die Entwicklung von Barrierebeschichtungen voran, die Kunststoffverpackungen ersetzen könnten. Ein Technologiesprung, der zugleich eine neue Kundengruppe anspricht und das Geschäftsmodell langfristig absichern soll.

Vom einmaligen Verkauf zur langfristigen Kundenbeziehung

Eine besonders spannende Entwicklung nimmt derzeit das Lifecycle-Geschäft. Während Maschinenverkauf und Installation früher das Hauptgeschäft waren, setzt Heidelberg heute verstärkt auf wiederkehrende Einnahmen durch Service, Ersatzteile, Softwarelizenzen und Verbrauchsmaterialien. Über 11.000 Maschinen weltweit sind bereits mit der Cloud des Unternehmens verbunden, was vorausschauende Wartung, Datenanalyse in Echtzeit und schnellen Service ermöglicht. Das Geschäftsmodell wandelt sich zunehmend vom einmaligen Verkauf zur langfristigen Kundenbeziehung – eine Entwicklung, die auch auf dem Kapitalmarkt gut ankommt.

Neue Wachstumsfelder identifiziert

Doch Jürgen Otto denkt weiter. Mit dem neugeschaffenen Segment Heidelberg Technology will das Unternehmen die Kompetenzen, die es im klassischen Maschinenbau über Jahrzehnte aufgebaut hat, in neue Wachstumsfelder transferieren. Dazu gehört etwa die Tochterfirma Amperfied, die zunächst mit der Produktion von Wallboxen für E-Autos startete, inzwischen aber ein Full-Service-Anbieter mit wiederkehrenden Umsätzen ist.

Der nächste Schritt ist ein selbst entwickeltes DC-Schnellladesystem – inklusive der Serviceinfrastruktur, die Heidelberg über Jahrzehnte perfektioniert hat. Und sogar der Einstieg in die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ist in Vorbereitung: In Kürze, so Jürgen Otto, soll eine strategische Partnerschaft mit einem Unternehmen aus dem Defense-Sektor verkündet werden – ein Tabubruch für manche, aber aus Sicht des Vorstands eine konsequente Nutzung der technologischen Fähigkeiten des Unternehmens.

Mit Zuversicht in die Zukunft

Der Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr 2025/2026 fällt entsprechend zuversichtlich aus. Der Umsatz soll auf 2,35 Milliarden Euro steigen, die EBITDA-Marge bis auf acht Prozent klettern – das wäre der höchste Wert seit dem Jahr 2008. Bereits jetzt, wenige Tage vor der Veröffentlichung der Zahlen zum ersten Quartal, sieht sich das Management auf Kurs. Rückenwind komme aus Asien, insbesondere durch den erfolgreichen Auftritt auf der Messe „China Print“. Dort zeige sich einmal mehr, dass Heidelberg mit seiner Fertigung in China einen Wettbewerbsvorteil besitze – sowohl in puncto Preis als auch bei der Nähe zum wachstumsstarken asiatischen Markt.

Auch der Kapitalmarkt scheint die Transformation zunehmend zu honorieren. Der Aktienkurs hat sich über die vergangenen zwölf Monate positiv entwickelt, fast alle Analysten geben derzeit eine Kaufempfehlung ab. Für ein Unternehmen, das noch vor wenigen Jahren mit tiefgreifenden Krisen kämpfte, ist das ein deutliches Signal.

Am Ende seiner Rede richtet Jürgen Otto seinen Dank an Mitarbeitende, Kunden, Betriebsräte, den Aufsichtsrat und die Aktionärinnen und Aktionäre. Ihr Vertrauen bezeichnet er als wesentliche Grundlage für den eingeschlagenen Transformationskurs. Jürgen Otto vermeidet bewusst weitreichende Zukunftsversprechen. Stattdessen stellt er einen klar strukturierten Plan in den Mittelpunkt – einen Kurs, der erste Erfolge zeigt und auf operative Stabilität sowie strategische Fokussierung setzt.