Inno-PrintPack zeigt den Umbruch im Verpackungsdruck
von Ansgar Wessendorf,
Das moderne Technologie- und Wissenszentrum von Follmann in Minden bot das ideale Ambiente für das diesjährige Inno-PrintPack
(Quelle: Innoform)
Es gibt Branchenevents, die wichtige Orientierung bieten – und dann gibt es Veranstaltungen, die einen entscheidenden Impuls setzen und Entwicklungen sichtbar machen. Der 10. Expertentreff Verpackungsdruck Ende November – erstmals unter dem modernisierten Label Inno-PrintPack und im neuen Technologie- und Wissenszentrum der Follmann-Gruppe in Minden – gehört eindeutig zu diesen zukunftsweisenden Ereignissen. Dieser Ort war kein Zufall, sondern ein Symbol: Die Zukunft des Verpackungsdrucks entsteht längst dort, wo Chemie, Digitalisierung, Automatisierung und Regulierung aufeinandertreffen. Die zwei Tage in Minden haben mehr als nur technische Trends sichtbar gemacht. Sie haben gezeigt, dass der Verpackungsdruck sich gerade neu erfindet, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die noch vor wenigen Jahren kaum vorstellbar gewesen wäre.
Die Initiatoren und Organisatoren: Andreas Franke (Follmann) und Karsten Schröder (Innoform Coaching) (Quelle: Innoform)
Feste Farbpalette als „neues Betriebssystem“ der Druckproduktion
Das alles überstrahlende Thema war der Übergang zu standardisierten Fixed Colour-Palette-Prozessen. Was lange als Option galt, entpuppt sich nun als wirtschaftliche und regulatorische Notwendigkeit. Michael Weihing von GMG hat die Argumente nicht nur vorgetragen, sondern faktisch seziert. Wenn Rüstzeiten sinken, Makulatur um bis zu 27 Prozent reduziert wird, wenn Einsparungen von 337.000 Euro pro Maschine im Jahr erzielt und zusätzliche Auftragsvolumina von fünf Millionen Euro möglich sind, dann ist die Debatte über Sonderfarben kein Qualitätsdiskurs mehr, sondern einer über Wettbewerbsfähigkeit. Wer glaubt, sich durch Festhalten an Analogroutinen dauerhaft profilieren zu können, wird früher oder später feststellen, dass der Markt ihn eines Besseren belehrt. Es ist kein Zufall, dass Gallus diesen Kurs im Etikettenbereich bestätigt und dass Permapack trotz spezifischer Einschränkungen am Standort betont, man würde sich jederzeit wieder für den Prozess der festen Farbpalette entscheiden. Besonders im Digitaldruck zeigt sich die Macht dieses Ansatzes: Die Break-Even-Grenze gegenüber konventionellen Druckverfahren verschiebt sich nicht schrittweise, sondern schnell. Wenn sie plötzlich bei 10.000 Laufmetern liegt und damit fünfmal so hoch wie die oft kommunizierten 2.000 Meter, dann verändert das die Produktionslogik ganzer Marktsegmente.
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Dieser Effizienzgewinn funktioniert jedoch nur, wenn der gesamte Workflow mitzieht. Zecher hat dies eindrucksvoll mit der Frage der Rasterwalzen demonstriert. Wer als Flexodrucker eine feste Farbpalette implementiert, braucht klare Volumenstufen, standardisierte Spezifikationen und zuverlässige, regelmäßige sowie dokumentierte Reinigungsintervalle. Bei der Spezifikation der Rasterwalzen – abgestimmt auf Klischeeraster, Plattenoberfläche, Farbsystem, Substrat und Näpfchenform – unterstützt Zecher die Anwender gezielt. Spezialgravuren wie SteppedHex mit gelängten Näpfchen ermöglichen eine höhere Lineaturanzahl pro cm bei gleichem Volumen und damit eine optimierte Farbübertragung. Der Slogan „regelmäßige Wartung der Rasterwalzen statt regelmäßiges Warten auf Ersatz“ trifft den Kern: Der Verpackungsdruck wird planbarer, reproduzierbarer und weniger abhängig von operator-spezifischen Workarounds. Genau hier liegt die wahre Veränderung. Sie erfolgt nicht durch noch höhere Druckgeschwindigkeiten, sondern durch die Eliminierung von Variabilität.
Impressionen in Bildern: Das war Inno-PrintPack 2026
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Dass diese Eliminierung inzwischen selbst hochkomplexe Prozesse wie den Flexodruck vollständig erfasst, wurde im Kooperationsprojekt von Esko, Asahi, Kongsberg und Allstein sichtbar. Was über Jahre als Zukunftsvision galt, wurde in Minden als industrielle Realität vorgestellt: ein durchgängig vernetzter, robotergestützter Flexo-Workflow von der Rohplatte bis zum fertigen Druck. Automatisierte Bebilderung, digitale Prozesskontrolle, intelligente Plattenlogistik und automatische Beladung der Druckmaschine ergeben zusammen einen Produktionsfluss, der seine Geschwindigkeit nicht mehr aus Erfahrung generiert, sondern aus Daten, Standardisierung und Robotik. Der Operator bleibt, aber er verliert seine Rolle als Fehlerquelle und gewinnt seine Funktion als Prozessmanager. Der Sprung in Produktivität und Konstanz ist kein Nebeneffekt – er ist der Kern des industriellen Anspruchs der nächsten Dekade.
Auch der Tiefdruck, lange als “analoges Bollwerk” betrachtet, beweist mit Bobsts smartGravure, dass er die digitale Transformation nicht nur übersteht, sondern aktiv prägt. Die Kombination aus oneECG, oneSET und onePRINT macht deutlich, wie sehr moderne Tiefdrucklinien inzwischen von Automatisierung und Daten profitieren. Dass 95 Prozent des Pantone-Farbraums mit einer erweiterten Farbpalette reproduzierbar sind, stellt die Frage nach Sonderfarben im Tiefdruck neu und anders als je zuvor. Zum ersten Mal wirkt konventioneller Tiefdruck nicht wie ein traditionsreicher Prozess, den man modernisieren müsste, sondern wie ein Verfahren, das sich selbst aktualisiert hat und nun neue Maßstäbe setzt.
Daten, Kontrolle, Inspektion: Die neue Dreifaltigkeit der Prozesssicherheit
Effizienzsteigerung allein reicht nicht. Der modulare Charakter der modernen Verpackungsproduktion verlangt eine nahezu lückenlose Echtzeittransparenz. Die zentrale Datenplattform von manroland Goss hat eindrucksvoll gezeigt, wie schnell sich Kostenwahrheiten verändern, wenn Energie- und Materialverbräuche erstmals objektiv, pro Auftrag und pro Standort, sichtbar werden. Wo früher Bauchgefühl und Erfahrungswissen dominierten, treten nun Handlungsempfehlungen durch präzise Maschinen- und Sensordaten an deren Stelle. Entscheidungen werden schneller, Zielkonflikte klarer, und die Gesamtanlageneffektivität gewinnt endlich die Relevanz, die sie in anderen Industrien schon seit Jahren besitzt.
Die Vorträge boten hochaktuelle Informationen und lieferten reichlich Stoff für lebhafte Diskussionen (Quelle: Innoform)
Dieser datengetriebene Ansatz verbindet sich nahtlos mit dem, was AVT und OCS Service präsentieren: Inspektionssysteme, die Fehler nicht nur erkennen, sondern klassifizieren und in den Produktionsdatenkontext einordnen. Die Zeiten, in denen Qualitätssicherung als nachgelagerter Schritt verstanden wurde, sind vorbei. Wenn Inline-Spektralfarbmessungen Farbkonstanz garantieren, wenn Multi-Channel-Auswertungen selbst bei PCR-Folien Fehlalarme verhindern, und wenn Highspeed-Inspektionssysteme Fehlerarten unterscheiden, bevor der Mensch überhaupt reagieren könnte, dann ist klar: Die Drucklinie wird zu einem geschlossenen Regelkreissystem, nicht zu einem Produktionsversuch.
Mit derselben Konsequenz verändert sich der Materialsektor – allerdings nicht primär durch Marktimpulse, sondern durch den regulatorischen Druck der PPWR. Die Präsentationen von Follmann, Flint Group, Sun Chemical, Transparent Paper und vielen anderen machten deutlich, dass die EU-Verordnung längst zum strukturbestimmenden Faktor der Farb-, Klebstoff- und Folienentwicklung geworden ist. Wasserbasierte Farben, VOC-arm und ohne PFAS, gewinnen an Bedeutung, weil sie im Recyclingprozess nicht stören und trotz spezifischer Herausforderungen eine erstaunlich wettbewerbsfähige Kostenstruktur ermöglichen. Neue Universalbasen verhindern Materialinkompatibilitäten und senken Komplexität. ULM-Klebstoffe verkürzen Reifezeiten und erfüllen lebensmittelrechtliche Grenzwerte praktisch sofort. Und innovative BOPP-Monomaterialien ersetzen zunehmend Aluminium in Barriereanwendungen und bringen die Kreislaufwirtschaft erstmals in echte industrielle Reichweite. Der Markt hat nicht um diese Transformation gebeten, aber er lernt erstaunlich schnell, dass sie nicht nur regulatorisch notwendig, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll ist.
Sicherheit, Regulierung und die neue Verantwortung der Verpackung
Die Themen Fälschungsschutz und Pharma-Verifizierung haben diesen Gesamtkontext perfekt ergänzt. Wenn der globale Fälschungsmarkt schneller wächst als die Druckindustrie automatisieren kann, dann braucht es Lösungen wie ValiGate, die Produkt-Authentizität in den Alltag der Endkunden integrieren – fälschungssicher, verschlüsselt, ohne App und im Druckprozess implementierbar. Die Anforderungen der EU-Fälschungsschutzrichtlinie für Arzneimittel zeigen gleichzeitig, wie sehr Druckqualität, Rückverfolgbarkeit und manipulationssichere Konstruktionen inzwischen regulatorisch verankerte Pflichtbestandteile einer Verpackung geworden sind. Verpackung ist längst kein stilles Transportmedium mehr, sondern ein sicherheits- und informationsrelevantes Produktmodul.
Follmann, führender Hersteller wasserbasierter Druckfarben für flexible Verpackungen und zugleich Chemieunternehmen, bot den Teilnehmenden die Möglichkeit zu einer Werksbesichtigung. (Quelle: Innoform)
Unmissverständliche Message
Der 10. Expertentreff Verpackungsdruck hat damit eine Erkenntnis eindrucksvoll bestätigt: Die Branche hat keine Zeit mehr für evolutionäre Prozesse. Sie benötigt einen radikalen Umbruch, der auf Standardisierung, auf Automatisierung, auf Daten und auf regulatorisch kompatible Materialien setzt und der ihren Erfolg nicht mehr primär aus handwerklichem Können, sondern aus industrieller Reproduzierbarkeit bezieht. Die Vorträge in Minden haben gezeigt, dass dieser Umbruch nicht mehr am Horizont wartet, sondern bereits in den Druckereien ankommt. Wer ihn gestaltet, wird vorne sein. Wer zaudert, wird nachjustieren müssen. Und wer glaubt, die Zukunft des Verpackungsdrucks sei eine Fortschreibung der Vergangenheit, hat die Signale dieses Expertentreffs nicht gehört. Inno-PrintPack hat sie unmissverständlich ausgesendet.