Intelligente Maschinen für den Verpackungsdruck

Exklusives Interview mit Windmöller & Hölscher zu Packaging 4.0

Unter der Leitidee Packaging 4.0 hat sich Windmöller & Hölscher zum Ziel gesetzt, die Vision Industrie 4.0 in der Verpackungsindustrie umzusetzen. Im folgenden Interview erklären Dr. Jürgen Vutz und Peter Steinbeck, Geschäftsführende Gesellschafter bei W&H, welche Herausforderungen der digitale Wandel und die vierte industrielle Revolution für die Branche mit sich bringen und welche Lösungen Packaging 4.0 dafür bieten kann.

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Dr. Jürgen Vutz, Vorsitzender der Geschäftsführung bei W&H, sieht die zunehmende Intelligenz der Maschinen als gutes Beispiel für die Evolution hin zur Fertigung der Zukunft
Dr. Jürgen Vutz, Vorsitzender der Geschäftsführung bei W&H

 

Verpackungsdruck gehört zu den wachsenden Märkten der Branche. Was unterscheidet den Verpackungsmarkt von anderen?

Vutz: Laut einer Pira-Studie wächst das Gesamtvolumen der Verpackungsindustrie bis 2018 auf gut EUR 865 Milliarden Umsatz. Das bedeutet ein Wachstum von rund 4% pro Jahr. In Asien betragen beispielsweise die Pro-Kopf-Ausgaben für flexibles Verpackungsmaterial derzeit gut EUR 40 im Jahr. In Industrieländern liegt der Wert zehn Mal so hoch. Grund dafür ist der demografische Wandel und die wachsende Mittelschicht. Verbrauchszahlen und der Anspruch an flexible Verpackungen wachsen.

In einigen anderen Drucksegmenten wird durch die Digitalisierung immer stärker das Drucken an sich überflüssig. Das ist bei den flexiblen Verpackungen nicht der Fall. Hier liegt der Fokus stärker auf den neuen technologischen Möglichkeiten den Druckprozess zu optimieren, die wir unter dem Stichwort Packaging 4.0 zusammenfassen.

Peter Steinbeck, als Geschäftsführer verantwortlich für den Vertrieb bei Windmöller & Hölscher
Peter Steinbeck, als Geschäftsführer verantwortlich für den Vertrieb bei Windmöller & Hölscher

Welche Entwicklungen prägen den Markt?

Steinbeck: Unsere Kunden, Verpackungsmittelhersteller auf der ganzen Welt, stehen wie alle produzierenden Unternehmen vor den gleichen Herausforderungen: Sie müssen ihre eigene Effizienz kontinuierlich steigern und gleichzeitig flexibel auf die Bedarfe ihrer Kunden reagieren, meist mit mehr Vielfalt und kleineren Aufträgen. Die Anforderungen der Verpackungsindustrie sind jedoch ganz andere als in der konventionellen Druckindustrie. Insbesondere in Bereichen wie der Lebensmittelindustrie oder Kosmetikbranche gibt es extrem hohe Ansprüche an Qualität und Sicherheit zum Schutz der Verbraucher.

Etablierte Verfahren wie der hochentwickelte Tief- und Flexodruck bieten dafür die benötigte Druckqualität und Prozessstabilität bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit. Unsere Aufgabe als Maschinenbauer ist es, dafür die Flexibilität und Effizienz der Maschinen zu erhöhen – neue, intelligente Technologien sind ein Weg dazu.

Digitaler Wandel und Industrie 4.0 – was bedeutet das für die Herstellung flexibler Verpackungen?

Vutz: Industrie 4.0 ist eine Vision: Maschinen und Anlagen überwachen selbstständig alle wichtigen Prozess- und Systemzustände, teilen Informationen untereinander aus und optimieren so die Produktionsabläufe in der gesamten Prozesskette. Der Weg bis zur vollständigen Umsetzung dieser Vision ist jedoch eine Evolution, keine Revolution.

Uns ist es deshalb wichtig, Industrie 4.0 für unseren Markt zu konkretisieren und die Bedeutung für die flexible Verpackung aufzuzeigen, also Packaging 4.0. Packaging 4.0 heißt für uns intelligente Maschinen mit integrierten Prozesse und intuitiver Bedienung. Dabei geht es einerseits um den Blick in die Zukunft, aber auch um konkrete Anwendungsfälle hier und heute.

Können Sie die konkreten Anwendungsfälle erläutern?

Vutz: Die zunehmende Intelligenz der Maschinen ist ein gutes Beispiel für die Evolution zur Fertigung der Zukunft. Windmöller & Hölscher bietet bereits seit vielen Jahren Automations- und Assistenzmodule an, die dem Bediener die Arbeit erleichtern. Früher wurde beispielsweise die Farbabstimmung auf Basis von Farbfächern vorgenommen und per Hand gemischt.

Heute greift unser Assistenzsystem Easy-Col auf Farbdatenbanken zurück und berechnet Mischverhältnisse automatisch. Diese Schnittstelle erleichtert den Arbeitsschritt der Farbabstimmung an der Druckmaschine enorm. Mit Easycheck werden Qualitätsmerkmale wie Farbdrift und Punktzuwachs während der Produktion automatisch kontrolliert und geregelt. Eine solche Intelligenz der Maschine wird in Zukunft immer weiter ausgebaut und das schneller als früher.

W&H stellt auf der drupa Druckmaschinen vor, die mit dem neuen integrierten Assistenzsystem Vision in einer automatisierten digitalen Prozesswelt Fehler erkennen, die Ursachen anzeigen und den Maschinenführern Lösungsmaßnahmen vorschlagen. Derartige Innovationen bedeuten neben einer verbesserten Wirtschaftlichkeit übrigens auch Ressourcenschonung, z.B. durch Abfallvermeidung.

Was bedeutet diese Entwicklung für die gesamte Fertigung?

Steinbeck: Die Wertschöpfungsketten unserer Kunden werden immer dynamischer. Fertigungsprozesse sind über Arbeitsschritte und Standorte hinweg verbunden. Diese Vernetzung überschreitet auch die eigenen Unternehmensgrenzen, beispielsweise zu Lieferanten und Kunden.

Die unterschiedliche Hardware, also die Maschinen, und die Software müssen dabei gut zusammen spielen – das sind wichtige neue Handlungsfelder für uns als Maschinenbauer. Noch gibt es zu viele Systembrüche und Schnittstellen zwischen der Druckvorstufe und den einzelnen Maschinen. Digital vernetzte, „intelligente Maschinen“ sind der Schlüssel zur weiteren Produktivitätssteigerung.

Wenn Software an Bedeutung gewinnt, werden der Mensch als Bediener und die Hardware, also die Maschine selbst, unwichtiger?

Vutz: Aus unserer Sicht ist der Erfolgsfaktor das Zusammenspiel zwischen Hardware, Software und dem Menschen. Je besser die Software-Module in die Maschine integriert sind, desto effizienter arbeitet das System. Der Bediener wird von einzelnen Routinetätigkeiten entlastet und erweitert seinen Blick auf den Gesamtprozess.

Dafür muss die große Menge an Daten verarbeitet und einfach visuell dargestellt werden. Unsere Maschinen sind deshalb zum Beispiel über ein zentrales Kontrollpanel mit intuitiver Touchfunktion sehr einfach zu bedienen.

Welche Rolle spielen Innovationen wie Digitaldruck oder 3-D-Druck im Markt der flexiblen Verpackungen?

Steinbeck: Der Digitaldruck wird sich auch im Verpackungsdruck weiter etablieren. Der Markt der flexiblen Verpackungen bringt jedoch sehr spezielle Anforderungen mit, beispielsweise an die Haftung der Farbe auf der Folie. Deshalb spielen heute neue Druckverfahren in der Praxis noch eine untergeordnete Rolle.

Langfristig sehen wir den Digitaldruck als sinnvolle Ergänzung zu den etablierten Druckverfahren Tief- und Flexodruck, vor allem für kleinere Losgrößen. Beim aktuellen technologischen Stand bleibt er vorerst ein Nischenprodukt und weiter ein Forschungs- und Entwicklungsthema, das wir bei W&H sehr wichtig nehmen.